Die Ruhestätten

Die Ruhestätten
Die Ruhestätten

Die Ruhestätten

Rote Kerzen tropfen auf kalten Stein. 
Das Wachs kennt keine Namen mehr.

Zwischen den Gräbern raschelt etwas,
nicht Wind, nicht Tier, nur Klang.

Die Ruhestätten sind müde,
ungepflegt,
als hätte das Vergessen Wurzeln geschlagen.

Eine Krähe sitzt auf einem Grabstein,
blickt nicht, ruft nicht, bleibt.

Und irgendwo
zwischen Schritt und Schatten
verliert sich die Richtung.

© Christopher Steffler


Schatten der Kerze

Schatten der Kerze
Schatten der Kerze

Schatten der Kerze

Die Nacht ist da, 
doch sie kommt nicht.
Sie steht.
Wie ein Gedanke,
der nicht zu Ende gedacht wird.

Die Fenster sind blind,
die Kerzen wach.
Ein Licht zittert
auf dem Boden der Erinnerung.

Etwas war hier.
Etwas ist noch da.
Ein Moment,
der sich nicht zeigt.
Nur wie ein Atem,
der nicht weiß,
ob er gehen oder bleiben soll.

© Christopher Steffler


Nacht der Schatten

Nacht der Schatten
Nacht der Schatten

Nacht der Schatten

Nacht der Schatten

Wenn Nebel wie Schleier die Gassen durchweben,
und Uhren im Takt dunkler Herzen beben,
wenn Krähen in Kreisen den Himmel durchschneiden,
beginnt die Zeit, in der Schatten sich weiden.

Ein Flüstern weht durch das welke Geäst,
als ob sich die Toten versammeln zum Fest.
Die Kürbisse glimmen mit höllischem Licht,
ihr Grinsen verzerrt – ein höhnisches Gesicht.

Die Türen verriegelt, das Feuer entfacht,
doch draußen erwacht die gespenstische Macht.
Ein Flüstern, ein Kratzen, ein Klopfen so sacht –
wer ruft aus der Tiefe der mitternächtigen Nacht?

Ein Kind in Verkleidung, so bleich und allein,
klopft an dein Fenster mit leerem Gebein.
„Süßes oder Saures“, haucht es so sacht –
doch sein Blick ist leer, sein Lächeln erwacht…

Ein Schritt in den Flur, ein Schatten huscht fort,
du bist nicht allein an diesem Ort.
Denn in dieser Nacht, so finster und kalt,
kehrt wieder, was längst schon begraben im Wald.

© Christopher Steffler


Wer dem Flüstern folgt

Wer dem Flüstern folgt
Wer dem Flüstern folgt

Wer dem Flüstern folgt

Im Nebel, der lautlos die Felder verschlingt, 
wo kein Lichtstrahl mehr Hoffnung bringt,
wandeln Gestalten mit leerem Gesicht –
sie tragen den Fluch der vergessenen Sicht.

Ein Flüstern erklingt aus dem alten Gemäuer,
wie Stimmen aus längst verloschener Feuer.
Die Mauern atmen, die Dielen beben,
als wollten sie längst Vergangenes leben.

Ein Kinderlachen – zu hell, zu fern –
hallt durch die Nacht wie ein falscher Stern.
Doch wer ihm folgt, verliert den Sinn,
denn dort beginnt, was nie verging.

Die Uhr schlägt dreizehn, der Wind steht still,
ein Rabe ruft, was niemand will.
Und wer in dieser Stunde wacht,
der wird Teil der ewigen Nacht.

© Christopher Steffler


Brief aus dem Laub

Brief aus dem Laub
Brief aus dem Laub

Brief aus dem Laub

Ich schrieb dir einst 
im Oktoberlicht,
als die Bäume
wie alte Freunde flüsterten.

Mein Brief liegt noch dort –
zwischen Wurzeln,
in feuchtem Laub,
vergessen von der Zeit.

Die Tinte war feucht,
mein Herz war kalt.
Ich bat dich,
nicht zu kommen.
Du kamst.

Jetzt spricht der Wind
in deiner Stimme,
und jedes Blatt
kennt deinen Namen.

Ich höre dich nachts
im Knarren der Dielen,
im Tropfen der Uhr,
im Schweigen der Tür.

Wenn du gehst,
nimm nichts mit.
Nicht den Brief.
Nicht mich.

© Christopher Steffler


Von innen

Von innen
Von innen

Von innen

Du wachst auf. 
Nicht weil du musst.
Weil etwas dich ansieht.

Die Tür ist zu.
Aber der Spalt ist da.
Er war gestern nicht da.

Die Wände sind näher.
Nicht viel.
Nur genug,
dass du es spürst.

Dein Atem beschlägt den Spiegel.
Du drehst dich weg.
Der Spiegel nicht.

Unter dem Bett
liegt nichts.
Aber es atmet.

Die Fenster sind blind.
Doch draußen steht jemand.
Nicht vor dem Glas.
Davor.

Du schreist.
Aber nur innen.
Denn draußen
ist jetzt auch dort.

Und die Türen?
Sie öffnen sich.
Von innen.

© Christopher Steffler


Stille unter alten Steinen

Stille unter alten Steinen

Stille unter alten Steinen
Stille unter alten Steinen
Die Schritte hallen über den kalten Boden, 
einsam in der tiefen Schwärze der Nacht.
Namen verblassen unter der Zeit,
versunken in gebrochenem Stein,
wo Risse sich wie Schatten winden,
und längst vergangene Stimmen tragen.
Nebelschwaden ziehen langsam über den Mond,
während ein leises Flüstern durch die Dunkelheit streift.

Stumme Kreuze ragen aus der Erde,
von Efeu sanft umschlungen,
als wäre die Zeit hier stehengeblieben,
als hätten die Schatten längst gelernt,
dass Erinnerungen verblassen.

Ein Flüstern in der Ferne,
kaum mehr als ein Hauch.
Ist es der Wind, der durch die Gräber streift?
Oder sind es Stimmen,
gefangen zwischen den Steinen,
verloren in der Stille?
Die Nacht bewahrt ihre Geheimnisse,
während der Friedhof weiter träumt,
verborgen im sterbenden Licht.

Doch keine Angst wohnt hier, keine Hast.
Nur Frieden, tief und still.
Dunkelheit trägt ihre eigene Schönheit,
bewahrt alte Liebe, vergessene Geschichten.
Und die Stille spricht,
sanft, unaufdringlich, näher, als gedacht.